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Neuerungen in der Nierenfunktionsdiagnostik
published [30/Apr/2015]
2012 erschienen aus der Arbeitsgruppe der KDIGO die überarbeiteten Leitlinien der KDOQI (2002) zum Thema „Chronische Nierenerkrankung“ unter dem Titel: Clinical Practice guideline for the Evalution and Management of Chronic Kidney Disease (CKD).
Darauf basierend gilt a b s o f o r t folgende Vorgangsweise
- Umstellung von der bisher verwendeten Kreatinin basierten eGFR nach MDRD auf:
- die eGFRcrea CKD-EPI für die Altersgruppe 18 bis 70 Jahre
- die eGFRcrea BIS1 für die Altersgruppe > 70 Jahre
- (automatisch an die Kreatininbestimmung gekoppelt)
- Einführung des derzeit besten Nierenfunktionsparameters für die Routine: Cystatin C
- Die davon abgeleitete Schätzformel eGFRcys CAPA gilt für die Altersgruppe 1 bis 80 Jahre (ACHTUNG: keine Kassenleistung)
- Quantifizierung der Albuminurie ausgedrückt als Albumin in mg / g Kreatinin (ersetzt semiquantitativen Microalbumin-Test)
- Die fehleranfällige Kreatinin-Clearance wird nicht mehr bestimmt; als optimale Alternative bietet sich Cystatin C an.
NIERENFUNKTION UND NIERENSCHADEN (Kurzfassung)
Zur Abschätzung der Nierenfunktion wird seit Jahren empfohlen, neben der Angabe des Messwertes des Filtrationsparameters Kreatinin oder Cystatin C, auch die mittels Schätzformel ermittelte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) am Befund anzugeben. Die Albuminbestimmung im Harn bei Hypertonikern und Diabetikern gilt schon lange als Empfehlung, um eine Frühschädigung der Nieren zu erfassen. Zudem ist die Albuminurie (AU) ein starker prognostischer Risikofaktor bezüglich dem Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen.
FILTRATIONSPARAMETER UND GFR
K R E A T I N I N
- Schlechter Nierenparameter, da eine direkte Korrelation zur Muskelmasse besteht (Stoffwechsel- produkt aus dem Kreatin des Muskels); gut trainierte junge Erwachsene haben oft einen Kreatininspiegel > der oberen Referenzgrenze (= Fitness), während alte Personen mit Muskelschwund immer noch im Referenzbereich liegende Werte aufweisen können (= falsch normal), obwohl bereits eine Nieren-insuffizienz sehr wahrscheinlich ist! Zusätzlich wird der Serumspiegel durch den Konsum gekochten Fleisches wesentlich beeinflusst (12h Nahrungskarenz unbedingt erforderlich!). Kreatinin wird nicht nur frei filtriert, sondern auch zu etwa 10% tubulär und bei Niereninsuffizienz verstärkt über den Darm sezerniert.
- Der Kreatininspiegel ist für sich allein zu unempfindlich, um einen GFR-Abfall frühzeitig anzuzeigen, da es einen Verlust der Nierenfunktion um mindestens 50% bedarf, bevor das Kreatinin die obere Referenzgrenze überschreitet = „Kreatinin-blinder Bereich“
- Die Erstellung altersgeschlüsselter Referenzwerte für Kinder ist sehr schwierig (sehr stark abhängig von der Muskelentwicklung). Bei Erwachsenen besteht darüber hinaus das Dilemma, dass durch das synchrone Verhalten von Abnahme der GFR und Muskelmasse mit dem Altern, sich ein einheitlicher, geschlechtsbezogener Referenzbereich für Erwachsene zwischen 18-80 Jahren (Frauen < 0.90-1.0 mg/dl und Männer < 1.20-1.30 mg/dl) ergibt, was wiederum erklärt, dass Kreatinin kein Frühmarker einer Nierenfunktionseinschränkung sein kann.
K R E A T I N I N basierte eGFR
Ab sofort wird die GFR mit der CKD-EPI-Schätzformel (Levey et al; 2009) geschätzt und löst die alte MDRD-Formel ab. Die Angabe am Befund erfolgt als eGFRcrea CKD-EPI und gilt für die Altersgruppe 18 bis 70 Jahre (nur dafür evaluiert). Für die Altersgruppe > 70 Jahre ersetzt die BIS1-Schätzformel (Schäffner et al; 2012) die MDRD-Formel. Die Angabe am Befunde erfolgt als eGFRcrea BIS1.
Problem: wie bei allen Kreatinin basierten Schätzformeln gehen die Parameter Kreatinin, Geschlecht, Alter und Rasse in die Berechnung mit ein und damit werden nur dann verlässliche GFR-Schätzungen erzielt, wenn die angenommene durchschnittliche und alterskorrigierte Muskelmasse im Einzelfall auch innerhalb einer gewissen Toleranzbreite liegt.
Vorteil: die CKD-EPI Formel schätzt gegenüber der MDRD-Formel im „nahe Normalbereich“ zwischen 90-60 ml/min/1.73m² deutlich höher und kommt damit der Realität näher.
C Y S T A T I N C
Cystatin C wurde erstmals 1979 als möglicher potenter Nierenmarker beschrieben. Cystatin C, ein Cystein-Protease-Inhibitor, ist ein niedermolekulares Protein (13 kD), das in allen kernhaltigen Zellen mit konstanter Syntheserate gebildet und frei filtriert wird. Im Gegensatz zum Kreatinin ist die Konzentration des Cystatin C unabhängig vom Verzehr von Fleisch oder tubulärer Sekretion und der Einfluss durch die Muskelmasse ist um ein Vielfaches geringer, womit sich eine Geschlechtertrennung für die Referenzwert-ermittlung erübrigt. Die Abnahme der GFR ist mit Cystatin C deutlich früher erkennbar als mit Kreatinin.
Problem: Hochdosierte Glucocorticoid-Therapie führt durch Induktion der Cystatin C-Synthese zu erhöhten Werten.
Vorteil: es gibt nur 2 Referenzbereiche und zwar für die Altersgruppen 1 bis 18 Jahre (0.59 – 1.38 mg/l) und 18 bis 80 Jahre (0.61 – 0.95 mg/l).
C Y S T A T I N C basierte eGFR
2014 veröffentlichte Anders GRUBB seine neueste Cystatin C basierte GFR-Schätzformel: „Generation of a new Cystatin C-Based Estimating Equation for Glomerular Filtration Rate by Use of 7 Assays Standardized to the International Calibrator“; Clinical Chemistry 60:7 (2014). Die Angabe am Befund erfolgt als eGFRcys CAPA.
Bewertung der GFR-Ergebnisse:
1. an Hand der GFR-Stadien wie bei der CKD-Klassifizierung
GFR - Stadium
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GFR (ml/min/1.73 m2)
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Bewertung
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G1
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≥ 90
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normale GFR oder erhöht *)
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G2
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60 - 89
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leicht verminderte GFR *)
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G3a
G3b
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45 – 59
30 – 44
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mäßig bis mittelgradig vermindert
mittel- bis hochgradig vermindert
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G4
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15 – 29
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hochgradig vermindert
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G5
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< 15
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terminales Nierenversagen
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*) Stadium G1 + G2 erfüllen bei Fehlen einer Nierenschädigung nicht die Kriterien einer CKD
2. an Hand altersgeschlüsselter GFR-„Referenzwerte“ einer „gesunden Referenzpopulation“, die mit Standardmethoden ermittelt wurden. Diese der Literatur entnommenen Daten, die zum Teil deutlich unterschiedlich waren, wurden von mir adaptiert und sind daher eher als Orientierungswerte zu verstehen.
Alter 5. - 95. Perzentile in ml/min/1.73m²
3 – 30 a 90 140
31 – 40 a 85 135
41 – 50 a 80 130
51 – 60 a 70 120
61 – 70 a 60 110
71 – 80 a 50 100
81 – 90 a 40 90
3. Die Diagnose CKD darf niemals unkritisch über die eGFR allein gestellt werden. Neben Klinik und anderen diagnostischen Kriterien muss das eGFR-Messergebnis kritisch beurteilt werden. Vergleich mit der „Altersnorm“, Beurteilung der Abfallkinetik innerhalb eines Zeitraumes (pathologisch oder altersphysiologisch?), mögliche Beeinflussungen des Filtrationsmarkers (Kreatinin: Blutabnahme nüchtern und Qualität der Muskelausstattung? / Cystatin C: Glucocorticoid-Th.?)
PARAMETER DER NIERENSCHÄDIGUNG
Neben einem pathologischen Harnsediment (Blut/ Leuko/ Bakterien/ Nieren-Epithelien) sind Proteinurie (PU) und speziell Albuminurie (AU) wesentliche diagnostische Marker eines Nierenschadens.
Albumin ist ein struktureller Marker für die Integrität der glomerulären Filtrationsbarriere. Herkömmliche Teststreifen auf Albumin sind zur Früherfassung einer AU ungeeignet, da ihre Nachweisempfindlichkeit mit 300 mg/l um den Faktor 10 zu gering ist, um Frühformen einer AU zu erfassen. Diese Frühform der AU, die den Bereich von 30 – 300 mg/g (Albumin/Kreatinin-Ratio) umfasst, wurde bislang als „Mikroalbuminurie“ bezeichnet. Immunologisch funktionierende Teststreifen decken zwar orientierend diesen Bereich ab, jedoch ist der quantitativen Albuminbestimmung, ausgedrückt als Quotient in mg Albumin / g Kreatinin, der Vorzug zu geben, da durch die Beziehung auf Kreatinin Konzentrationsschwankungen des Harns ausgeglichen werden.
Albumin ist aber nicht das einzige Protein, das man im Harn antrifft und das Hinweis auf eine renale oder extrarenale Störung sein kann. Da der übliche Harnteststreifen bevorzugt nur das Albumin erkennt empfiehlt es sich, bei generellem Verdacht einer Nierenschädigung und zum Ausschluss einer Überlaufproteinurie auch Gesamteiweiß (GE) im Harn zu bestimmen, ebenfalls ausgedrückt als Quotient in mg Gesamt-Eiweiß / g Kreatinin.
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Bei Entzündungen des distalen Harntrakts findet man neben Eiweiß auch Leukozyten und Erythrozyten.
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Bei der tubulo-interstitiellen Nephritis werden niedermolekulare Proteine aufgrund der gestörten tubulären Resorption ausgeschieden, bei der Glomerulonephrits vordergründig höhermolekulare Proteine. Durch Typisierung des Harnproteinmusters kann zwischen tubulärer bzw. glomerulärer oder gemischter PU unterschieden werden.
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Aufgrund ihres niederen Molekulargewichts passieren freie Leichtketten (Leichtkettenmyelom) ungehindert die Basalmembran und erscheinen im Harn, sobald die resorptive Kapazität des Tubulusapparates erschöpft ist (Überlaufproteinurie). Weitere Abklärung erfolgt mit Immunfixation im Harn.
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Als benigne PU bezeichnet man eine im Kindesalter und bei jungen Erwachsenen < 30 Jahren anzutreffende orthostatische PU. Die Abklärung erfolgt durch die quantitative Bestimmung der Eiweißausscheidung im 1. Morgenharn und in einer weiteren Harnprobe vom späten Vormittag.
A L B U M I N – Bestimmung (Harn)
Referenzbereich : < 10 mg/g Kreatinin
Die Bewertung erfolgt wie bei der CKD-Klassifizierung:
ALBUMINURIE-Stadien bei CKD
Stadium
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ACR mg/g
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Bewertung
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A1
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< 30
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normal bis leicht erhöht
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A2
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30 – 300
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mittelgradig erhöht = Mikroalbuminurie
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A3
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> 300
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stark erhöht = Makroalbuminurie
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Anmerkung: Mikro- bzw. Makroalbuminurie werden in den LL der KDIGO 2012 fallen gelassen
G E S A M T E I W E I S S – Bestimmung (Harn)
Referenzbereich: < 100 mg/g Kreatinin (Graubereich: 70 -100)
Probenmaterial: 2. Morgenharn empfohlen (5 ml)
Hinweis: zur Quantifizierung der Tagesausscheidung von Albumin und GE ist keine 24-Stunden Harnsammlung nötig, da die in mg/g Kreatinin ausgedrückten Albumin- und GE-Mengen gut mit der Tagesausscheidung korrelieren: z.B. 500 mg GE /g Kreatinin entspricht einer GE-Tagesausscheidung von ca. 500 mg.
BEFUNDAUSGABE
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Filtrationsmarker und entsprechende eGFR werden immer gemeinsam angegeben:
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< > und eGFRcrea CKD-EPI bzw. eGFRcrea BIS1 (18-70a bzw. 70+)
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Cystatin C und eGFRcys CAPA (1-80a)
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Der eGFR wird entsprechend dem Messergebnis das jeweilige GFR-Stadium inkl. verbaler Beurteilung zugeordnet.
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Albumin (A) und Gesamteiweiß (GE) werden immer in mg A bzw. GE pro mg Kreatinin angegeben.
ACHTUNG:
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Cystatin C ist derzeit keine Kassenleistung (Privattarif € 7.50)
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Ausführlichere Informationen zum Thema „Chronische Nierenerkrankung“ mit Hintergrund-informationen werden Sie in Kürze auf unserer Homepage unter www.daslabor.eu finden.
Mit freundlichen Grüßen

(Dr. F. Holzweber)
Villach, am 29.04.2015